Aufgabe des Territorialitätsprinzips ist nicht durchdacht

Die steigenden Gesundheitskosten überfordern die Beteiligten. So werden auch gewisse Sparvorhaben immer verzweifelter. Eines davon ist die Aufgabe des Territorialprinzips – Krankenkassen sollen auch Leistungen und Medikamente bezahlen, die im Ausland bezogen werden. Dies wäre nicht nur eine gewaltige Wettbewerbsverzerrung, sondern auch volkswirtschaftlich verantwortungslos.
Strenge Auflagen für Schweizer Apotheken
Schweizer Apotheken dürfen keine Medikamente importieren. Der Konsument soll sie aber im Ausland besorgen dürfen. Lohndumping ist in der Schweiz verboten und wird mit Kontrollen durchgesetzt. Der Konsument soll aber Lohndumping betreiben dürfen. Zudem wird häufig nicht erkannt, dass die Medikamentenpreise in anderen Ländern tief gehalten werden, indem die Medikamentenvorräte armer Länder aufgekauft werden [1]. Die Krankenkassen möchten ein Verhalten fördern, das in keiner Art und Weise nachhaltig ist.
Die Schweizer Abgabekanäle für Medikamente sind sehr sicher. Im Ausland gibt es schon diverse Fälle, in denen gefälschte Medikamente im normalen Markt gelandet sind [2,3] – auch eine Folge des Preisdrucks auf Medikamente. Die Krankenkassen sind sich dieser Risiken nicht bewusst oder ignorieren sie mit Absicht.
Auf der anderen Seite bleiben Konsumenten gesetzlich verpflichtet, in der Schweiz eine Krankenversicherung abzuschliessen – denn wenn man die Aufgabe des Territorialitätsprinzips zu Ende denken würde, dann müsste es auch erlaubt sein, eine Krankenkasse im Ausland statt in der Schweiz abzuschliessen.
Volkswirtschaftlich unverantwortlich
Die derzeitigen Preisunterschiede zum Ausland basieren in erster Linie auf einem tiefen Eurokurs, der einer gravierenden Wirtschaftskrise zu verdanken ist. Was mit den Medikamentenpreisen passiert, wenn der Eurokurs etwa die frühere Stärke von Fr. 1.60 erreicht, weiss niemand. Es ist äusserst fahrlässig, Medikamentenpreise an den Gang der globalen Wirtschaft zu koppeln.
Mit dem Aufruf zum Leistungsbezug im Ausland werden auch direkt einheimische Arbeitsplätze attackiert. Bereits heute sind 25% der Apotheken nicht mehr rentabel. Davon besonders betroffen sind Land- und Quartierlagen, denen in der medizinischen Grundversorgung besonderes Gewicht zufällt. Eine weitere finanzielle Sanktionierung, die nur auf kurzfristigem Gewinnstreben basiert, setzt die Versorgung unnötig aufs Spiel.
Apotheke als Leistungserbringer unterschätzt
Die Apotheken erbringen zunehmend Dienstleistungen, die zur medizinischen Grundversorgung gehören: Erstabklärungen, Prävention und die Begleitung chronisch kranker Patienten. Aufgrund ihrer Einteilung im Krankenversicherungsgesetz leben sie aber nach wie vor von der Medikamentenabgabe. Wenn genau dieses Standbein wegfällt, dann fallen auch zahlreiche Leistungen weg, die bis anhin sehr billig oder sogar gratis angeboten wurden.
Die Folgen für die Gesundheitskosten wären verheerend: Wenn obige Dienstleistungen nur noch im Rahmen eines Arztbesuchs zu haben sind, werden die Kosten für Probleme, die bisher einfach und unkompliziert in der Apotheke zu lösen waren, in die Höhe schiessen. Die Krankenkassen sollten endlich auf die Apotheke als Problemlöser auf zahlreichen Baustellen eingehen.
Quellen:

  1. Die Medikamente der Anderen – RTL-Reportage zu Medikamentenimporten
    https://rtlnext.rtl.de/cms/die-medikamente-der-anderen-das-umstrittene-geschaeftsmodell-der-deutschen-medikamentenimporteure-4121183.html
  2. EMA empfiehlt Ruhen der Zulassung für diverse Generika – DAZ.online
    https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/03/28/ema-empfiehlt-ruhen-der-zulassung-fuer-diverse-generika
  3. Gestreckt, gepanscht, gefälscht – ARD-Reportage zu gefälschten Medikamenten
    http://www.ardmediathek.de/tv/Dokumentarfilm/Gef%C3%A4hrliche-Medikamente-gepanscht-ges/SWR-Fernsehen/Video?bcastId=1105036&documentId=43847878